Yoga Nidra
Im Dämmerzustand bewusst verweilen und entspannen
Yoga Nidra ist eine spezielle Technik der Tiefenentspannung, bei der du dich in den Zustand zwischen Wachsein und Schlaf begibst. Durch Yoga Nidra bringst du deine körperlichen und geistigen Aktivitäten zur Ruhe – dein Bewusstsein aber bleibt dabei wach und klar. Häufig wird Yoga Nidra mithilfe einer geführten Meditation angeleitet.
Der Nutzen von Yoga Nidra ist äußerst vielgestaltig: Dazu gehört die tiefe Entspannung auf körperlicher und geistiger Ebene, die Stärkung der psychischen Widerstandsfähigkeit (Resilienz), sowie die Linderung von Angstzuständen, Schlaflosigkeit oder Depression. Das Nervensystem wird reguliert und dein Körper erholt sich.
Wie wird Yoga Nidra geübt?
Yoga Nidra kann zu vielen verschiedenen Zeitpunkten geübt werden: Tagsüber, um eine Gewohnheit der Tiefenentspannung zu fördern, die das Einschlafen in der Nacht erleichtert. Oder auch vor dem Schlafengehen als Wegbereiter für den Schlaf. Yoga Nidra kannst du aber auch beim Aufwachen mitten in der Nacht üben – um dich zu entspannen und um leichter in den Schlaf zurückzufinden.
Es scheint paradox, aber indem du übst, nicht einzuschlafen, lernst du den Weg besser kennen, der zum Einschlafen führt.
Bei Yoga Nidra folgt man am einfachsten einer geführten Audio-Meditation. Diese dauert im Schnitt 20-30 Minuten. Zu Beginn wirst du angeleitet, deine Wahrnehmung durch den Körper zu bewegen (Kreisen der Wahrnehmung) und oftmals eingeladen, deine Atmung zu verlangsamen und dir beruhigende Bilder vorzustellen. Die Anweisungen werden, anders als bei anderen Entspannungsübungen, relativ zügig gesprochen – dadurch bleibt deine Wahrnehmung ständig in Bewegung und so wird verhindert, dass dein Denken einsetzt oder du abschweifst.
Der Aufbau einer Yoga Nidra Einheit besteht im allgemeinen aus folgenden Schritten:
- 1
Vorbereitung – achtsames Einstimmen auf die Übung
- 2
Ankommen – Beginn der Übung
- 3
Sankalpa/Vorsatz/Entschluss – Absicht für die Übung setzen
- 4
Kreisen der Wahrnehmung/Körperwahrnehmung – das Bewusstsein wird gezielt durch den Körper bewegt, der Körper bleibt dabei still liegen
- 5
Sich des Atems bewusst werden – Verbindung und Konzentration auf die Kraft des eigenen Atems
- 6
Gegensatzpaare ausgleichen – Körperliche und emotionale Empfindungen wahrnehmen und ausgleichen
- 7
Visualisierungen – In einigen Schulen werden spontan auftauchende Gedanken, Erinnerungen oder Bilder einfach wahrgenommen und willkommen geheißen; in anderen hingegen leitet der Lehrer bestimmte Bilder oder Reisen an
- 8
Wiederholung des Sankalpas – die Absicht wird ein weiteres Mal bekräftigt
- 9
Integration und Rückkehr – langsames und achtsames Zurückkehren in den Wachzustand
- 10
Übungsende – sich bedanken, wach und präsent sein
Verschiedene Ansätze
Mittlerweile gibt es viele verschiedene Schulen (iRest, Yoga Nidra Network, ParaYoga, Himalayan Institute, Bihar, etc.), die Yoga Nidra mit oder ohne Musik anbieten, säkular oder spirituell ausgeprägt sind, oder PTBS und Trauma sensitiv arbeiten wie z.B. das Angebot von iRest. iRest findet sogar Anwendung in Militärspitälern in den USA, wegen der bestätigten positiven gesundheitlichen Wirkungen auf Geist und Körper.
Geschmäcker und Bedürfnisse sind bekanntlich verschieden, aber zum Glück gibt es eine große Vielfalt an Audioaufnahmen für Yoga Nidra auf Spotify, InsightTimer, YouTube und Co., wo du hoffentlich schnell fündig wirst. Des Weiteren gibt es Aufnahmen, die speziell zum Thema Schlaflosigkeit erstellt oder z.B. auf die Bedürfnisse von Frauen zugeschnitten sind (siehe bspw. die Datenbank auf Yoga Nidra Network).
Um einen ersten Eindruck der Methode zu gewinnen, habe ich für dich eine kleine Auswahl an Aufnahmen zusammengestellt:
Auswahl an Yoga Nidra Aufnahmen:
Yoga Nidra Anleitung
- 1
Wähle zuerst einen Yoga Nidra Audiotrack aus. Überprüfe, bevor du mit der Übung beginnst, ob die Lautstärke über deine Lautsprecher oder Kopfhörer angenehm ist.
- 2
Bereite nun den Raum für die Übung vor: Mache es dir auf dem Boden, Sofa oder Bett, auf dem Rücken liegend bequem. Solltest Du dich nicht auf den Rücken legen können, dann kann die Übung auch aufrecht im Sitzen in entspannter Position durchgeführt werden (idealerweise wird Yoga Nidra jedoch im Liegen geübt). Decke dich zu und wenn es dir angenehm ist, dann lege ein Kissen unter deinen Kopf und wahlweise auch unter deine Knie. Mache es dir gemütlich, aber nicht so sehr, dass du sofort einschlafen könntest. Das Ziel ist, im Dämmerzustand zu verweilen und nicht in den Schlaf abzugleiten (mit der Ausnahme, du machst diese Übung als Wegbereiter zum Einschlafen).
- 3Sorge für eine entspannte und ruhige Atmosphäre. Schalte dein Handy auf lautlos bzw. auf Flugmodus, und lasse deine Mitbewohner wissen, dass du für die Zeitdauer der Übung nicht gestört werden möchtest. Falls du Bedenken hast, während der Übung einzuschlafen und du später noch Termine wahrnehmen musst, dann stell dir einen sanften und angenehmen (!) Wecker.
- 4
Spiele nun die Audio-Aufnahme über deine Kopfhörer oder Lautsprecher ab und folge den Anweisungen. Solltest du vor dem Ende der Übung einschlafen, dann ist das in Ordnung – du kommst so in den Genuss und Nutzen eines Nickerchens. Jedoch setze dir grundlegend das Ziel, den Anweisungen bis zum Ende der Übung zu folgen.
- 5
Wenn die Audio-Aufnahme zu Ende gegangen ist, gib dir Zeit, um sanft ins Hier und Jetzt zurückzukehren, und genieße für den Augenblick die tiefe Entspannung.
Anwendung
Einmal pro Tag für 20-30 Minuten, bei Trauma oder PTBS zweimal täglich.
Mit Schlafdruck bewusst umgehen
Manche Menschen haben Bedenken, dass Yoga Nidra ihren Schlaf verkürzen könnte, aber tatsächlich ist das Gegenteil der Fall: Yoga Nidra kann nicht zu oft geübt werden. Auf einem Yoga-Nidra-Retreat üben Teilnehmer sechs oder sieben 30-minütige Sitzungen pro Tag und schlafen trotzdem jede Nacht tief und fest. Wie kann das sein?
Im Gegenzug zu einem Nickerchen, wird bei Yoga Nidra der Schlafdruck (Müdigkeit) im Körper nicht abgebaut, doch durch die erreichte Tiefenentspannung wird der Parasympathikus aktiviert, der für einen erholsamen Schlaf benötigt wird. Je entspannter du tagsüber bist, desto leichter wird es dir nachts fallen, dich dem Schlaf hinzugeben. Solltest du aber eine schlaflose Nacht hinter dir haben, dann kann ein Nickerchen während dem Tag die Rettung für den Tag sein (siehe unten für weitere Informationen).
Yoga Nidra, das Gleiche wie ein Nickerchen?
Yoga Nidra ist nicht das Gleiche wie ein Nickerchen, Mittagsschläfchen oder Powernap – beim Yoga Nidra tauchen wir gezielt in einen Dämmerzustand ein und verweilen dort bei vollem Bewusstsein. Bei einem Nickerchen hingegen bewegen wir uns in einen Leichtschlaf, manchmal auch in den Tiefschlaf hinein und verlieren in der Regel unser Wachbewusstsein. Bei einem Nickerchen wird Schlafdruck (Müdigkeit) abgebaut, bei Yoga Nidra geschieht dies nicht.
Deswegen muss man aufpassen, ein Nickerchen auf keinen Fall später als 6 Stunden vor der beabsichtigten Schlafenszeit zu machen, um den Schlafdruck für die Nacht nicht unabsichtlich zu schwächen. Yoga Nidra hingegen kann zu jeder Tages- oder Nachtzeit geübt werden und beeinflusst den Schlafdruck nicht.
Das Nickerchen
Mit einem Nickerchen kann der Tag nach einer schlaflosen Nacht gerettet werden: die Reizbarkeit wird gesenkt, die Leistungsfähigkeit erhöht, Müdigkeit verringert und die Stimmung gehoben. Aus eben diesen Gründen lässt die NASA ihre Astronauten auf Missionen ein 20-30 Minuten langes Nickerchen machen.
20-30 Minuten sind die ideale Zeitdauer für ein Nickerchen: Dadurch wird das Eintauchen in den Leichtschlaf ermöglicht, der die Wachsamkeit steigert, ohne dabei in den Tiefschlaf zu fallen; denn das Aufwachen aus dem Tiefschlaf heraus verursacht Müdigkeit und kann die Schläfrigkeit sogar noch verschlimmern.
Wenn du also ein längeres Nickerchen planst, dann nicht länger als 60-90 Minuten. Damit stellst du sicher, dass dich dein Wecker innerhalb des Schlafzyklus in einer Leichtschlafphase aufweckt und dir das Aufwachen damit leicht fällt.
7-9 Stunden gesunder Schlaf …
Ein Wort zu den berühmten 7-9 Stunden gesunder Schlaf pro Nacht: Diese sollten besser als 7-9 Stunden Schlaf pro 24 Stunden Zeitraum (!) verstanden werden. Damit zählt ein Nickerchen oder Mittagsschläfchen (wie es unsere Siesta liebenden Nachbarn aus dem Süden kennen und lieben), absolut zu unserer täglichen Schlafdauer und kann zu den Schlafstunden der Nacht hinzugerechnet werden. Ein Nickerchen stellt auch eine viel realistischere Art dar, unser Schlafpensum zu erhöhen, als zwanghaft zu versuchen, acht Stunden ununterbrochenen Schlaf in einer Nacht zu erzielen.
In unserer modernen Gesellschaft leiden wir unter permanentem, chronischem Schlafentzug. Ein Nickerchen oder eine Einheit Yoga Nidra zu machen, kann neben den unbestrittenen positiven Auswirkungen auf Geist und Körper schon fast als ein revolutionärer Akt gesehen werden: “Ich mach mal Pause und bin kurz unerreichbar, macht ohne mich weiter …”